Jeden Freitag ist der Ort für Träume und Alpträume rappelvoll.
Live-Musik, immer mit Herzblut
gespielt, von Musikern, die ihrem
Publikum nah sein wollen. Abstand erlaubt der kleine Raum gar
nicht, die Symbiose ist unausweichlich. Im Artcafé Macondo
kommt man sich zwangsläufig näher. Einen Ort des Lebens, einen
Ort der Begegnung wollte Stefano
Scarlatti schaffen, als er das Café
mit Vineria vor fünf Jahren eröffnete und sich einen Lebenstraum
erfüllte. Du bist verrückt, sagten
die Freunde des Römers damals.
Mehr als sechs Monate Überlebenszeit wollte Scarlatti kaum ei-
ner geben.
Die gelbe Säule mit den Kastanienzweigen mitten im sonnig-gelben
Ambiente des Cafés ist die Verbindung zum mystischen Ort Macondo. Zu dem imaginären Dorf,
in dem sich abgeschieden von der
Welt das Leben abspielt, das Gabriel García Márquez in Hundert
Jahre Einsamkeit in unsterbliche
Prosa transzendierte. Freuden, Katastrophen, Leiden, Liebe, Alltag,
all das ist Macondo - im südamerikanischen Urwald und an der
Oberurseler Strackgasse. Hier ist
Stefano Scarlatti der Protagonist,
dessen Leben sich - wie bei dem
an den Kastanienbaum geketteten
Buendía bei Márquez - im Umfeld
der gelben Säule abspielt.
Freiwillig. An sechs Tagen in
der Woche ist er da, meist im weißen Hemd mit Weste, über die das
schulterlange Haar fällt. Macondo
in Oberursel, das ist Stefano Scarlatti mit seinem immer noch wunderbar nach römischem Dolce vita
klingenden Italo-Deutsch. Auf
rund 350 Veranstaltungen blickt
der 55-Jährige zurück, alle bei freiem Eintritt. Das gehört zum Konzept, das er konsequent verfolgt.
Musik, Literatur, Kunst müsse für jeden greifbar sein.
Was in Bornheim oder Bockenheim wahrscheinlich ein Selbstgänger wäre, ein Kunstcafé mit
Live-Musik, Ausstellungen und Lesungen, lebt in Oberursel stark
vom Stammpublikum. Schön,
dass auch der Bürgermeister öfters mal reinschaut, deutsch-englische und deutsch-italienische
Alle sechs Wochen gibt es eine neue Tapete von Freunden des Macondo
Stammtische haben das Macondo entdeckt, und viele Künstler. So
bekommt Scarlatti alle sechs Wochen neue Tapeten in seinem
Wohnzimmer mit Baum. Bis zum Sommer 2009 sind die Wände bereits ausgebucht.
Die Live-Musikabende am Freitag haben sich über die Region hinaus herumgesprochen. Anfragen
von Musikern kommen aus der gesamten Republik, jede Woche
kann sich der Hausherr neue Demo-CDs anhören. Die Musik ist
der größte Magnet und gleichzeitig immer wieder das Sorgenkind.
Denn leider ist sie auch mit Lärm
verbunden, und das mag nicht jeder Nachbar. Da helfen nur stille
Kompromisse. Wenn die Stimmung steigt und die Besucher fit
werden für eine lange Nacht, steht
Scarlatti die Uhr ins Gesicht geschrieben. Gehen die Zeiger unerbittlich gegen 23 Uhr, wird der
Chef langsam unruhig. Der stille
Kompromiss darf nicht unterhöhlt
werden.
Im Sommer bekommt des Römers Traum vom Artcafé einen zusätzlichen Farbtupfer. Wenn er
Holztische und -stühle auf dem
Kopfsteinpflaster vor dem alten
Haus mit dem wilden Wein an der
Wand aufstellen kann. Wenn die
Musik auch draußen auf einer Mini-Bühne spielt und die schöne alte Strackgasse
tatsächlich mediterranes Flair ausstrahlt.